»Städtischen Galerie Mennonitenkirche«

christian_kaufmannAuszüge aus der Eröffnungsrede zur Ausstellung in der Städtischen Galerie Mennonitenkirche, Neuwied am 28.05.2002

Christian Kaufmann, Kunsthistoriker und Kurator in Frankfurt/Main

“ […] Astrid Lindgren hat uns vor Augen geführt, wie arm man wird, wenn man die Bilder, die man als Kind besitzt, als Erwachsener verliert.

Wenn Sie so wollen, ist Anna Bieler eine Astrid Lindgren auf malerischem Gebiet […] Auch bei ihr bewegen sich Monster und Dreibeiner über die Bildfläche, bestimmen merkwürdige Mischwesen das Geschehen. Anna Bieler findet diese Bilder in ihrer alltäglichen Umgebung:

Bei Gesprächen mit ihrer Nachbarin, bei der Besichtigung einer Kirche, vielleicht auch im Zimmer ihrer Kinder. Vor allem aber findet sie diese Bilder, wie Astrid Lindgren, beim Hineinhören in sich selbst. Insofern zeigen die Bilder auch ein kindliches Staunen über das, was man auf der Welt so alles entdecken kann. […]

Für mich […] haben die Bilder von Anna Bieler insgesamt ganz stark mit der Frage nach dem Woher und Wohin des Lebens zu tun:

In ihren Bildern geht es um Weiblichkeit, (um weibliche Befindlichkeiten, die nach ihrer Meinung auch mal – etwa im Fall der Schwangerschaft – entgleisen können), da geht es um Geburt, um Wiedergeburt, um Wachsen, das sich in Pflanzen symbolisiert, um Wasser und Fließen, da tauchen Fische auf als Symbole des Lebens, da geht es um Erotik, um Emotionen und da geht es immer auch um die Liebe:

Die Liebe zwischen Mann und Frau, die Liebe zum Leben und schließlich auch die zur Malerei und zur Farbe. […]

Es sind zum einen persönliche Erfahrungen, die da in die Bilder einfließen […] aber auch philosophische und anthroposophische Gedanken, die Anna Bieler da formuliert. Stets nämlich zeigen die Bilder den Menschen im Einklang mit der Natur […]

Zwei Dinge scheinen mir für das Werk von Anna Bieler charakteristisch:

Da ist zum einen die starke Buntfarbigkeit der Bilder. Häufig setzt sie die drei Primärfarben Blau Rot und Gelb in großen Flächen nebeneinander, was den Bildern eine große Leuchtkraft verleiht. Man fühl sich an Arbeiten expressionistischer Künstler wie Wassily Kandinsky oder Alexej Jawlensky erinnert. Und vielleicht denken Sie auch wie ich an Werke der Pop-Art (Tom Wesselmann wäre hier zu nennen). Auffällig ist weiterhin die fast völlige Abwesenheit von Schwarz- oder Grautönen, was den Bildern eine vorwiegend heitere Stimmung verleiht. Man kann es so formulieren, dass Anna Bieler damit auf die dunkle Seite des Jenseits bewusst verzichtet, vielleicht weil es davon bereits genug in der Welt gibt. – Womit sie Recht hat […]

Das zweite charakteristische Element – ich hatte es bereits kurz angesprochen, ist das Gegeneinandersetzen von großen flächigen und plakativen Farbformen (Pop Art) und Farbflächen mit fließenden Übergängen. – Farbflächen mit mehrfachen Abstufungen von Farbtönen, die häufig auch landschaftliche Vorstellungen beim Betrachter auslösen.

Flaches steht gegen Räumliches. Farbe kontrastiert mit Farbe.

Kurz, die Bilder leben stark durch bewusst eingesetzte Gegensätze und Stilbrüche:

Pralle Diesseitigkeit durch die Farbe auf der einen, der visuellen Seite, wortwörtlich Hintergründiges und Tiefsinniges auf der anderen Seite, der inhaltlichen Ebene.

Anna Bieler schlägt solche Brücken mit dem ihr eigenen Witz. – Und das ist das nächste Charakteristikum ihrer Arbeiten:

Wenn da zum Beispiel pralle Brüste sich wie auf dem Bild »Brüste küssen« ein Rendezvous geben und sich wie Magnete anziehen, oder ein Phallus ganz ungeniert auf das weibliche Gegenüber reagiert. Und ob die beiden Engelchen im Bild der»Wiedergeburt« wirklich zwei Engelchen geworden sind oder so nur als Wunschtraum der Schwangeren existieren, ist auch noch die Frage. „