Eröffnungsrede zur Ausstellung in Schlangenbad am 04.03.2007
Detlev Sieber, Bürgermeister a.D. in Schlangenbad:
„Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde der Kommunalen Galerie!
Was an der Malerei von Anna Bieler, die wir in dieser neuen Ausstellung der Kommunalen Galerie zeigen, als erstes auffällt, ist ihre gewaltige Farbigkeit:
Kühl leuchtende Grundfarben, die zumeist mit weißer Farbe gemischt und abgetönt sind, damit die Farben noch heller und pastellartig werden.
Rein physikalisch, wissen wir, beruht unser gesamtes differenziertes Farben-Sehen, auf diesen Grundfarben aber paradoxerweise widersprechen sie, wenn wir sie einzeln und nicht untereinander gemischt sehen, unseren natürlichen Sehgewohnheiten, zumal sie in der Natur in dieser ungebrochenen Klarheit kaum vorkommen. Es hat in der neueren Kunstgeschichte immer wieder Beispiele für die Verwendung dieser leuchtenden Grundfarben gegeben: Etwa im Expressionismus des frühen 20. Jahrhunderts, in der Bauhaus-Bewegung, in der Pop-Art: Der Zweck der „bunten“ Farben war dabei immer der gleiche: Die Reduktion auf die Grundfarben sollte eine neue Klarheit mit sich bringen die großen, einfach gehaltenen, Farbflächen geben den Bildern Kraft.
Bei genauerem Hinsehen stellt man aber auch fest, dass die Farbflächen der Malerei von Anna Bieler gar nicht flächig und plakativ sind. Ihre Farbflächen führen ein Eigenleben. Das zeigt sich unter anderem darin, dass die ganze Fläche, bis zur Kante an der nächsten Farbfläche mit einem kleinen Pinsel sorgfältig gemalt und in sich strukturiert wird. Anna Bieler versteht die sozusagen unnatürliche Farbigkeit ihrer Bilder als geistiges Element, als einen Gegenpol zur materiellen Welt. Bilder wie »Im Paradies«, »Die Wache«, oder die »Göttin in Blau«, sind für sie Kraft-Bilder, die mit ihren großen Formaten zeigen: „Farbe ist Energie“.
Anna Bieler ist in Griechenland und Portugal aufgewachsen, ihre Eltern waren dort Lehrer an der Deutschen Schule. Die Kindheit in diesen südlichen Ländern hat sie sehr geprägt, sie nennt sich ein „Meeres- und Sonnenkind“, sie hat viel im Meer geschwommen, sich dabei fast mehr unter Wasser als über dem Wasser aufzuhalten, und auf diese Weise hat sie das Gefühl des schwerelosen Schwebens verinnerlicht, das sich in ihren Bildern wieder findet.
Das Wasser steht für Anna Bieler für das Unterbewusste, mit dem sie ein bestimmtes Gefühl verbindet. Und auch die in ihren Bildern immer wieder auftauchende Darstellung des Fisches steht für diese persönlichen Erfahrungen, die der Fisch als Ur-Tier unserer Welt verkörpert: Genau so wie Anna Bieler es als Kind im Wasser erfahren und gefühlt hat, schwebt der Fisch scheinbar schwerelos, er schwebt nicht nur im Wasser, er schwebt in den Bielerschen Bildwelten auch durch die Luft.
Das Gegenstück zum Fisch ist der Vogel: Er kann wirklich schweben, er drückt eine noch ausgeprägtere Leichtigkeit aus: In Anna Bielers Bilderwelten steht der Vogel für die Freiheit, für die Überwindung des Materiellen, und damit zugleich auch für das Geistige, für das Körperlose.
Dieser Kern der von Anna Bieler geschaffenen, ganz eigenen Bildsymbolik lässt sich zum Beispiel auf der kleinformatigen Arbeit »Entzweit« gut erkennen: Anna Bieler stellt eine Aussage in den Raum, sie malt Fisch und Vogel vor einer Darstellung der Erdkugel Symbol des Körperlichen die zerbricht. Dem Betrachter bleibt es überlassen, aus dieser Situation eine Geschichte weiter zu spinnen…
Die Tiere, die Anna Bieler malt, sind keine wirklichen Tiere, es sind eher Wesen aus einer Fabel: Anna Bieler geht es in ihrer Arbeit um den Menschen, um unsere Träume, um die Sichtbarmachung des Unterbewussten. Anna Bieler möchte, dass man sich selbst in den Bildern wiederfindet, sie möchte mit ihren Bildern die Menschen zu sich selber führen. In den meisten Bildern von Anna Bieler stehen daher menschliche Gesichter im Mittelpunkt schemenhaft dargestellt, manchmal fehlt ihnen die Nase (wie auf der »Mutter Martha«), aber erstaunlicherweise erleichtern es diese Abstraktionen dem Betrachter sogar, sich mit dem Bild zu identifizieren.
Große, klare Flächen zu gestalten bedingt, dass schon am Anfang eine Idee, eine Vorstellung, eine Aussage vorhanden sein muss. Manchmal beginnt Anna Bieler mit einer Form, wie etwa der selbstgestellten Aufgabe, ein flächenhaftes, und zugleich das ganze große Format füllende Gesicht zu malen. Oft sind es aber auch inhaltliche Ansatzpunkte etwa das Thema „Beziehung zwischen Frau und Mann“ gerade dieses Thema war Ausgangspunkt für zahlreiche Bilder von ihr.
Viele von Anna Bieler gemalte Szenerien sind hintersinnig, humorvoll und witzig – sei es die Aufhebung der Schwerkraft, herumfliegende Kirschen und Birnen, pralle Busen, oder, wenn wir das Bild »Im Paradies« betrachten, das gelbe Gesicht des im Paradies gerade frisch erschaffenen Menschen, das in seiner Plattheit und Einfalt demnächst auf die Schlange hereinfallen wird, die im Hintergrund schon lauert. Die Bilder von Anna Bieler haben aber nicht nur diese offenkundige Leichtigkeit und Heiterkeit. Anna Bieler malt Träume, und die sind nicht immer nur heiter. Die dunkle Seite des Menschen wird mit eingebunden: So steht im Paradies neben dem unschuldigen Gesicht eine maskenförmige Gestalt mit lodernden Flammen in den Augen. Und wenn man genau hinsieht, dann finden sich gelegentlich nicht nur dunkle und spannungsvolle Inhalte, sondern es stehen auch die hell leuchtenden Farben im Kontrast mit schweren und dunklen Tönen, manchmal bis zum satten Schwarz: Für Anna Bieler muss diese dunkle Seite dabei sein und findet sich in ihren Bildern sowohl formal, in dunklen Farbflächen, als auch in dunklen Andeutungen ihrer Bildwelten wieder. „